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IMMER SCHOEN LANGSAM - WIE MAN IM WINTER GRUNDLAGENAUSDAUER AUFBAUT

Besser könnte der Zeitpunkt nicht sein, um wieder einmal sich mit den Grundlagen für das Grundlagen-Ausdauertraining vertraut zu machen. Schliesslich legt ihr jetzt, über den Winter, den Grundstein für eine gute Form für die kommende Saison. Nur wer in der dunklen Jahreszeit sein Grundlagentraining forciert, wird in der Saison 2018 sportlich im „Scheinwerferlicht“ stehen.

 

Laut Definition ist Grundlagenausdauer „die Ausdauerfähigkeit bei lang andauernden Belastungen in aerober Stoffwechsellage". „Ausdauer" definiert sich als die Fähigkeit, einer sportlichen Belastung physisch und psychisch möglichst lange widerstehen zu können. Das heisst, eine bestimmte Geschwindigkeit zu laufen oder am Rad Watt über einen möglichst langen Zeitraum realisieren zu können, und sich dann nach sportlichen Belastungen möglichst rasch erholen zu können.

 

Oder als Formel dargestellt: Ausdauer = Ermüdungswiderstandsfähigkeit + schnelle Erholungsfähigkeit.

 

„Eine gute Kondition haben" sagen viele dazu im sportlichen Volksmund – und verwechseln dabei leider „gute Kondition" mit „guter Ausdauer". Zur Klarstellung: Die konditionellen Fähigkeiten bestehen aus vier Komponenten – aus Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und Beweglichkeit. Wobei für Läufer, Radfahrer, Triathleten, Langläufer, Schwimmer etc. natürlich die „Ausdauer" die entscheidende konditionelle Komponente darstellt. Was aber nichts daran ändert, dass ausgerechnet Defizite in den anderen konditionellen Fähigkeitsbereichen sehr oft für ernsthafte Probleme und Schwachstellen bei leistungsorientierten Ausdauersportlern sorgen.

 

DIE KRAFTWERKE STÄRKEN

Beim Grundlagentraining geht es vorwiegend um aerobe Stoffwechselsituationen. Das heisst, dass der arbeitenden Muskulatur bei einem aeroben Ausdauertraining genügend Sauerstoff zur Verfügung steht. Im Muskel wird nur wenig Laktat (Salz der Milchsäure) gebildet und kann leicht abgebaut werden. Man bewegt sich dabei locker bei einer Belastung von 65 bis 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz (Hfmax), kann bei dieser aeroben Belastung locker plaudern und züchtet sich ganz gemütlich die für Ausdauersportler so wichtigen Mitochondrien.

 

Was sind Mitochondrien? Mitochondrien sind die sogenannten „Kraftwerke der Zellen", die mittels Adenosintriphosphat (ATP) für die Energiebereitstellung für unsere Muskelleistung verantwortlich zeichnen.

 

Bleiben wir gleich beim Basiswissen aus der Trainingslehre. Das Gegenstück zum „lockeren" aeroben Training sind anaerobe Trainingsformen wie intensive Intervalle jenseits der 90 Prozent der individuellen maximalen Herzfrequenz, also über der anaeroben Schwelle, hoch laktazid. Hier geht der Sportler durch extreme Belastung eine Sauerstoffschuld ein. Das heisst, der Muskel frisst mehr Sauerstoff, als er über die Atmung und das Herz-Kreislauf-System zuführen kann. Ein Abbruch der Leistung durch Erschöpfung ist die daraus resultierende Folge. Man wird „blau", „geht ein", „wird sauer" – es schmerzt in den Beinen, brennt in der Lunge, im Magen herrscht oft ein flaues Gefühl.

 

Im Herbst/Winter sollten diese anaeroben Trainingsformen nur sparsam (maximal einmal pro Woche) eingesetzt werden. Je näher dann die Wettkampfsaison rückt, desto öfter setzt man solch harte, anaerobe Trainingsreize.

 

LANGSAM IM TRAINING – SCHNELL IM WETTKAMPF!

Nochmals - Grundlagentraining ist aerobes Training! Dauerläufe, extensive Intervalle und Fahrtenspiele, Longjoggs etc. stellen klassische Trainingsmethoden dafür dar.

 

Als Faustregel gilt: Nur wer langsam trainiert, wird schnell im Wettkampf sein! Ausdauerbelastungen sollen mit maximal 70 Prozent der Hfmax, also unter der aeroben Schwelle, durchgeführt werden. Bei diesem sogenannten „Fettstoffwechseltraining", der Basis im Grundlagentraining, lernt der Körper, seine Energie vorwiegend aus den in rauen Mengen vorhandenen Fettreserven unseres Körpers zu gewinnen.

 

Viel leichter ist es ja für den Körper, Energie aus den nur beschränkt vorhandenen Kohlenhydratspeichern zu schöpfen. Ziel eines Ausdauersportlers ist es aber, die Fettverbrennung zu optimieren, um die Grundlagenausdauerleistungsfähigkeit an der wichtigen aeroben Schwelle zu verbessern.

 

Ist die Leistung an der aeroben Schwelle hoch, steigert man auch die Pace an der anaeroben Schwelle (ANS)! Was nichts anderes heisst, als dass dein läuferischer Erfolg im direkten Zusammenhang mit einer gut ausgebildeten Grundlage steht.

 

VERSUCH'S MIT CROSSTRAINING

Um zbsp. als Läufer nicht ins „Übertraining" zu schlittern bzw. um sich nicht zu verletzen, wird gern alternatives Training eingestreut. Zusätzlich zu Longjoggs und extensiven Dauerläufen ist es also sinnvoll, in unspezifischen Sportarten wie Mountainbiken, Spinning, Langlaufen, Rudern, Schwimmen etc. das Kreislauf-System auf Touren zu halten.

 

ERST SCHWIMMEN, DANN LAUFEN

 

Für Triathleten stellt Schwimmen aus technischer Sicht die mit Abstand schwierigste Disziplin dar. Darum  sollte die „stille Zeit im Jahr“ auch für Grundlagentraining genutzt werden. Allerdings nicht nur fürs Stoffwechsel-Grundlagentraining.

 

Mit einem „Schwimmblock" von bis zu sechs Wochen wird auch an der technischen Grundlage in der Disziplin Schwimmen gearbeitet. Drei- bis fünfmal die Woche sollte das Hallenbad aufgesucht werden, um nachhaltige positive Effekte zu erzielen. Wichtig ist, dass mindestens einmal pro Woche ein Trainer/Coach auf die Technik achtet und korrigierend eingreift falls notwendig. Ab Ende Januar kann man das Training im oft unbeliebten Nass etwas reduzieren. Ein Laufschwerpunkt wäre danach angebracht, um dann, wenn die Tage länger werden, Grundlagenkilometer auf Rad abzuspulen. Dabei ist zu beachten, dass die Disziplinen, welche nicht gerade schwerpunktmässig im Fokus stehen nicht gänzlich vernachlässigt werden dürfen.

 

RADFAHRER, TRIATHLETEN GEHEN FREMD

Es ist empfehlenswert, bei seiner Ausdauersport in den Wintermonaten auch mal „Fremd“ zu gehen. Wer will schon fürs „artgerechte" Ausdauertraining zbsp. stundenlange Einheiten am Ergometer abschwitzen? Die Ausdauergrundlage könnt ihr euch problemlos bei Bewegung aller Art holen. Sei dies beim Langlaufen oder auch Spinning in der Gruppe, jedoch alles im aeroben Bereich gehalten. Denn das bringt nicht nur die gewünschten Trainingsreize mit sich, sondern sorgt auch für Spass und neue Motivation.

 

Ein Kraftschwerpunkt bietet sich ebenfalls an. Unspezifisches Maximalkrafttraining an Langhanteln, Beinpresse ect. lässt die Wattwerte nach oben hin „ausschlagen“.

 

Ein Tipp: Baue nach dem Krafttraining sogenannte Transferübungen ein!

 

Beispiel: Nach drei Sätzen tiefe Kniebeugen zu zehn Wiederholungen ist es ideal, wenn man sich für fünf Minuten auf den Ergometer schwingt und mit über 100 Umdrehungen pro Minute pedaliert. Dabei lernt der Körper, wozu er direkt zuvor die Kraftübung gemacht hat. Zbsp. zum schnelleren Radfahren ...

 

Von der Leistungsdiagnostik bis zu den richtigen Trainingsbereichen ...

 

DIE BESTIMMUNG DES IST-STANDES

Um sicher zu gehen, dass man im richtigen Intensitätsbereich trainiert, sollte man bei einem Sportwissenschafter und/oder Sportmediziner eine Leistungsdiagnostik durchführen. Vor allem ist ein Belastungs-EKG wichtig, um mögliche Herzschäden oder andere Krankheiten zu entdecken

 

DIE TRAININGSBEREICHE

Nach der ausgewerteten Leistungsergometrie sollte der Läufer sechs Trainingsbereiche mit nach Hause nehmen:

 GLA: Grundlagenausdauertraining (Fettstoffwechsel), ca. 65-73 % der Hfmax

 GA1: extensive Ausdauer, ca. 74-82 %

 GA2: intensive Ausdauer (Marathonpace), ca. 83-88 %

 ST: Schwellentraining („Entwicklungsbereich", Halbmarathonpace), ca. 89-92 %

 AT: Anaerobes Training, über 93 %

 REKOM: Regeneration und Kompensationstraining, unter 65 %

 

DIE UMSETZUNG IM TRAINING

Im „Grundlagenblock", (Wintertraining)  sollten 90 Prozent der Gesamt zeit des Trainingsaufwandes im GLA- und GA1-Bereich stattfinden.

 

Mit GA2-Einheiten ist generell sparsam umzugehen. Hier verbrennt man vorwiegend Kohlenhydrate, man rennt nicht hart aber auch nicht ganz locker.

Die Bereiche „ST" und „AT" sind im Winter nur für Athleten geeignet, die mehr als sechs Stunden Ausdauersport betreiben. Auch ambitionierte Läufer sollten nur einmal pro Woche eine anaerobe Einheit einbauen, um keine sogenannte Frühform zu provozieren. Erst im Frühling, direkt vor dem Saisonbeginn, kann man den hochintensiven Anteil des Trainings nach oben schrauben.

Langfristig wird man im Ausdauersport nur über viel Grundlagentraining und über zusätzlich gezielt eingesetzte, sehr harte Trainingsreize besser. Der Anteil des aeroben Grundlagentrainings soll (in Stunden gemessen) auch in der Wettkampfphase nicht unter 60 Prozent des Trainingspensums fallen.

 

Ich wünsche euch viel Spass bei der Umsetzung.

Sportliche Grüsse

Ruedi Baumann

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